Gehen wir nach links oder nach rechts? Eine Antwort auf diese Frage fällt zum Beispiel bei einer Wanderung leicht, kann jedoch in der Quantenwelt der Elementarteilchen viel schwieriger zu beantworten sein. Elektronen und Protonen, die Bausteine von Molekülen, können in Zuständen existieren, die gleichzeitig nach links und rechts gehen. Ihre Entscheidung, sich in einer dieser Möglichkeiten zu „materialisieren“, treffen sie erst im Moment ihrer Messung, beispielsweise durch Auftreffen auf einem Teilchendetektor. Dieses Phänomen bezeichnet man als „Quantenverschränkung“ und bildet die Grundlage für sogenannte Quantencomputer, in denen Informationen gespeichert und verarbeitet werden und Überlagerungen von gleichzeitig „rechts“ und „links“ ermöglichen. Dadurch wird die Quantenberechnung auf solchen Maschinen viel leistungsfähiger als auf klassischen Computern, da mehrere Berechnungen, die nacheinander lange dauern würden, jetzt alle gleichzeitig ablaufen. Jedoch ist die Programmierung von Quantencomputern komplex und zeitaufwendig. In dieser Zeit kann diese Einheit der Quantenverarbeitung instabil werden.
Ein Physik-Team des Max-Planck-Instituts für Kernphysik Heidelberg bestehend aus Farshad Shobeiry, Patrick Fross, Hemkumar Srinivas, Thomas Pfeifer und Robert Moshammer sowie Anne Harth, Professorin der Hochschule Aalen und Arbeitsgruppenleiterin am Zentrum für Optische Technologien, das zur Aalen School of Applied Photonics gehört, forscht zu diesem Thema. Sie haben nun einen bedeutenden Schritt in Richtung einer dramatischen (mehr als 100.000-fachen) Beschleunigung der Kontrolle von verschränkten Quantenzuständen gemacht: von Nanosekunden auf Femto- (10–15 s) oder sogar Attosekunden (10–18 s). Die Forschenden untersuchten in ihrem Attosekunden-Laserlabor die grundlegende Quantendynamik von Wasserstoffmolekülen (zwei Protonen, zwei Elektronen), indem sie Elektronen und Protonen nach ihrer Wechselwirkung mit diesen ultrakurzen Lichtblitzen (Pulsen) detektierten. Sie fanden heraus, dass die Emissionsrichtung der Elektronen im Verhältnis zu den Protonen durch Verzögerung der Attosekundenpulse im Verhältnis zu den Maxima und Minima einer Laserlichtwelle auf einer Zeitskala von weniger als einer Femtosekunde verändert werden kann. Ein allgemeines theoretisches Modell erklärt diesen Befund durch die oben erwähnte Überlagerung von Zuständen: Zwei Elektronen des Moleküls sind quantenmechanisch verschränkt, obwohl sie sich an unterschiedlichen Orten befinden (eines davon fliegt isoliert davon, das andere ist noch an ein Proton gebunden). Die Theorie zeigte auch, dass diese Zustände, die den so genannten Bell-Zuständen ähneln, durch Verzögerungen von Attosekunden zwischen einem hochfrequenten (Extrem-Ultraviolett, XUV) und einem niederfrequenten (Infrarot, IR) Lichtblitz verändert werden können.
Es ist zwar noch zu früh, um einen brauchbaren Quantencomputer auf der Grundlage dieser Idee zu entwerfen, aber die Erkenntnisse des Forscherteams liefern die grundlegenden physikalischen Erkenntnisse für die Programmierung von Quanteninformation auf extrem kurzen Zeitskalen. Die Allgemeingültigkeit des Modells, das zur Erklärung des durchgeführten Experiments verwendet wurde, erlaubt im Prinzip, es von Wasserstoff auf jedes andere System zu übertragen, in dem zwei Lichtfarben „gemischt“ werden können, um Quantenkontrolle über verschränkte Zustände auf der fundamentalen „ultraschnellen“ Zeitskala elektronischer Bewegung zu erreichen.
Originalpublikation:
Emission control of entangled electrons in photoionization of a hydrogen molecule
Farshad Shobeiry, Patrick Fross, Hemkumar Srinivas, Thomas Pfeifer, Robert Moshammer and Anne Harth
Scientific Reports 14, 19630 (2024). DOI: 10.1038/s41598-024-67465-0
Fotohinweis: Prof. Dr. Anne Harth ist neben der Lehre in der Forschung, unter anderem zum Thema „ultraschnelle Steuerung quantenverschränkter Elektronen“ in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut Heidelberg tätig. © Hochschule Aalen |Samuel Burkart