An der Hochschule Aalen wird altem Kunststoffrasen ein zweites Leben gegeben
Weltweit werden knapp zehn Prozent aller Kunststoffabfälle recycelt. Sehr häufig wird entsorgter Kunststoff trotz seiner Recyclingfähigkeit unter Energiegewinnung verbrannt. Angesichts der Endlichkeit fossiler Rohstoffe, die zur Produktion von Kunststoffen benötigt werden, müssen deshalb dringend Methoden entwickelt werden, um die Wiederverwertungsquote künftig spürbar zu steigern. An einer solchen forscht Doktorandin Anna Lena Seibel vom Institute for Sustainable Polymers and Composites (iSPC) der Hochschule Aalen unter der Leitung der Prorektorin und SmartPro-Projektleiterin Prof. Dr. Iman Taha im Rahmen des Projekts RewitAl, das sich mit dem Recycling alter Kunststoffrasenplätze befasst.
„Polyethylen ist mit einem Marktanteil von 26 Prozent der am häufigsten verwendete Kunststoff. Er ist langlebig, vielseitig einsetzbar und kann durch Wiedereinschmelzen leicht recycelt werden, ohne seine chemische Struktur signifikant zu verändern“, erläutert Anna Lena Seibel das Untersuchungsobjekt ihrer Dissertation. Polyethylen, kurz PE genannt, ist der dominierende Kunststoff für Verpackungen und Folien aller Art wie beispielsweise Plastiktragetaschen, wird aber auch zur Herstellung von Spielzeug und technisch anspruchsvolleren Produkten – wie beispielsweise Kunststoffrasen, genutzt. Dass Polyethylen trotz seiner enormen Bedeutung und prinzipiell guten Recyclingfähigkeit aktuell nur zu einem geringen Anteil im Recyclingkreislauf geführt wird, sei daher nicht nachhaltig und werde dem Wert des Rohstoffs nicht gerecht, so Seibel. Der Grund für die geringe Recyclingquote liegt im Detail: Kunststoffabfälle fallen meist gemischt und verunreinigt an – man denke da nur an den gelben Sack. Außerdem können sich im langfristigen Gebrauch die Eigenschaften von Polyethylen verändern. Oftmals ist daher unklar, für welche Zwecke sich dieses künftig noch verwenden lassen kann. Und genau hier setzt die 27-Jährige thematisch in ihrer Doktorarbeit an: „Ich führe eine Analyse der Alterung von Polyethylen unter realen Umweltbedingungen durch. Gleichzeitig finden Recyclingversuche an dem gealterten Kunststoff statt, um über eine angepasste Verarbeitung die bestmögliche Qualität des Recyclingmaterials zu erreichen. Die Ergebnisse können dann darüber Aufschluss geben, für was das Polyethylen noch verwendet werden kann, anstatt dieses nach einmaliger Nutzung einfach als Brennstoff zu verwenden.“
Sportrasen als Forschungsgegenstand
Als Forschungsobjekt dient dabei 20 Jahre alter Kunststoffrasen, der nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt war, sondern auf dem sich auch Generationen von Sportlerinnen und Sportlern ausgetobt haben: An diesem lassen sich sowohl normale Gebrauchs- und Abnutzungserscheinungen, als auch der Einfluss von Temperatur, UV-Strahlung und Feuchtigkeit untersuchen, was ihn zu einem idealen Testobjekt macht. Seibels Forschung ist Teil des Projekts RewitAl – „Reintegration hochwitterungsbeanspruchter Altkunststoffe in die Kreislaufwirtschaft“ – dessen Projektkoordinatorin Prof. Dr. Iman Taha auch ihre Doktorarbeit betreut. Die ersten Forschungsergebnisse sind unterdessen bereits vielversprechend – die Fasern des alten Kunststoffrasens weisen trotz starker Abnutzung und der Aussetzung unterschiedlichster Witterungsbedingungen noch ähnliche Eigenschaften wie neues Polyethylen auf. Zwar könne man aus recyceltem Kunstrasen – Stand jetzt – keinen vollständig neuen herstellen, er könne aber anteilig integriert werden. Beispielweise als Folie auf der Unterseite neuer Kunstrasen um die Rasenfasern zu verkleben oder als mit neuem Kunststoff umhüllter Kern der Rasenfasern, erklärt Seibel.
Für die Forschung auf die Ostalb
Anna Lena Seibel stieß über Umwege zum Projekt. Die gebürtige Leipzigerin, die an der Universität Bayreuth zunächst ihren Bachelor- und Masterabschluss im Studiengang „Materialwissenschaften und Werkstofftechnik“ absolvierte, bewarb sich ursprünglich an diversen Fraunhofer-Instituten, auf der Suche nach anwendungsnaher Forschung. Zufällig stieß sie bei ihrer Suche auf die Promotionsstelle im Projekt RewitAl und fand somit ihr praxisnahes Forschungsthema nun an der Aalener Hochschule für angewandte Wissenschaften. „Aalen ist zwar keine Metropole, aber ich fühle mich hier sehr wohl. Ich wohne mitten in der lebendigen Innenstadt und spiele auch im Aalener Sinfonieorchester“, schmunzelt die Doktorandin und fügt lachend hinzu: „Mit dem Schwäbischen habe ich auch kein Problem. Meine Großeltern und meine Mutter sind aus Ulm.“
Auf die Frage, was sie beim Forschen antreibt, weiß Anna Lena Seibel eine klare Antwort: „Ich bin im Studium auf die Kunststoffe aufmerksam geworden, weil sie unglaublich vielseitig und oftmals unverzichtbar sind. Gleichzeitig haben sie so einen schlechten Ruf. Dieser ist teilweise berechtigt, gerade im Hinblick auf Mikroplastik. Diese Problematik basiert jedoch auf dem achtlosen Umgang von uns Menschen mit Kunststoffen. Glas, Papier und Metall sammeln wir und betrachten sie als Wertstoff – mit Kunststoffen gehen wir jedoch weniger achtsam um, wodurch sie in die Umwelt gelangen. Die Wertschätzung gegenüber Kunststoffen muss sich ändern. Man sollte ihnen eine zweite Chance geben, indem man Lösungen beim Recycling findet, und es freut mich, dass ich daran aktiv mitwirken kann.“
Ein Beitrag des SWR, der am 24.09.2025 ausgestrahlt wurde, gibt weitere Einblicke. Schauen Sie rein ab Minute 15:48!
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