Betrachten wir all die heute verwendeten Materialein, wächst der Einsatz von Kunststoffen am stärksten. Bis 2050 wird eine Verfünffachung der weltweiten Kunststoffproduktion von derzeit jährlich 360 Millionen Tonnen auf 1,800 Millionen Tonnen vorhergesagt. Als beliebtes Material zur Gestaltung von Kunst Mitte des letzten Jahrhunderts wurden Kunststoffe über viele Jahre hinweg weiterentwickelt und den Anwendungsbedürfnissen angepasst. Mittlerweile sind sie einfach zu verarbeiten, günstig im Preis, leicht im Gewicht und bieten für Lebensmittel Schutz vor frühzeitigem Verderb. Über 40 Prozent der Kunststoffproduktion wird heute im Verpackungsbereich eingesetzt.
Doch gleichzeitig wird kein anderes Material heutzutage so kontrovers diskutiert wie Kunststoffe. Trotz all der genannten Vorteile werden sie häufig vor allem mit Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung in Verbindung gebracht. Was heißt das für uns? Müssen wir uns dann an Bilder von Mikroplastik-verseuchten Gewässern, Bergen von Kunststoffabfällen und durch Kunststoff leidende Tiere gewöhnen?
Wir befinden uns in der Zukunft …
Wir schauen uns um, und sehen tatsächlich – immer noch − viele Kunststoffanwendungen. Von Müllbergen und Umweltschäden jedoch keine Spur. Wir erleben die Renaissance von Kunststoffen. Sie sind ein geschätzter und unverzichtbarer Werkstoff, der eine essenzielle Rolle zur Schonung wertvoller Ressourcen spielt. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet heute die Hochschule Aalen, an der die Arbeitsgruppe von Prof. Dr.-Ing. Iman Taha die Nachhaltigkeitsforschung in der Kunststofftechnik gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus Industrie und Wissenschaft erfolgreich vorantreibt. Wir schauen noch einmal genauer hin.
Was hat sich verändert? – Kommen Sie mit auf unsere Reise durch den Alltag mit den Kunststoffen der Zukunft, die uns unter anderem zu einem intelligenten Mülleimer und zwei geheimen Siegeln führt!
Wir befinden uns beim Einkauf. Bewusst ausgewählte Lebensmittel sind in Kunststoff verpackt – und darin länger haltbar als je zuvor. Dank der ausgezeichneten Barriereeigenschaften der Folien und Schalen müssen kaum noch Lebensmittel weggeworfen werden. Aber was sind das für Kunststoffe? Ein genauer Blick auf die Verpackungen verrät: es sind Biokunststoffe, mit einem uns heute noch unbekanntem Siegel, dem „biosphere conform“. Es zeigt einen biologischen Kreislauf, insbesondere für Kunststoffe mit absichtlich „kurzer Lebensdauer“, wie sie häufig für frische Lebensmittel benötigt werden. Die Rohstoffe stammen aus der Natur, und dorthin gelangen sie mit dem Ende der Nutzungsphase auch direkt wieder zurück: als wichtige Nährstoffe, durch moderne Kompostierbarkeit, die in jedem Haushalt möglich ist.
Wir befinden uns zu Hause im Kinderzimmer. Die Spielfigur aus Kunststoff ist kaputt. Tränen gibt es aber keine. Die Tochter weiß, dass die Puppe beim Hersteller wieder repariert werden kann, sogar ein „Face Lift“ bekommen wird. Spielwaren bleiben so viel länger nicht nur im Trend, sondern vor allem im Kreislauf.
Wir befinden uns auf einer Autofahrt. Um uns herum ist fast überall Kunststoff zu erkennen. Wenn nicht in Reinform, dann in Form eines Materialverbunds, z. B. als faserverstärkte Kunststoffe. Dadurch lässt sich Leichtbau gut und bedarfsgerecht realisieren und somit Energie sparen. Auch die Verbindung von Faserverbund und Metall ist kein Problem. Modernste Technologien garantieren optimale Stabilität und Sicherheit. Gleichzeitig ermöglichen andere innovative Verfahren die Trennung dieser unterschiedlichen Werkstoffe für eine weitere Verwendung: Metall wird wieder aufgeschmolzen und genutzt. Der Faserverbund kann entweder direkt in ein neues Produkt umgeformt werden oder lässt sich in seine ursprünglichen Bestandteile trennen, um die Faser und Kunststoffe ganz flexibel wieder für neue Produkte einzusetzen. Hier begegnen wir dem Siegel „technosphere conform“ für den technischen Kreislauf.
Und wie entsorgen wir unsere Abfälle?
Von Entsorgung kann nicht wirklich die Rede sein. Modernste Entwicklungen führten dazu, dass fast alle Materialien wiederverwertet werden. Statt der überfüllten gelben Tonne gibt es in jedem Haushalt einen intelligenten (Müll-)Eimer. Beim Reinwerfen des „Abfalls“ wird dieser mithilfe Künstlicher Intelligenz automatisch in verschiedene Stoffströme sortiert, verdichtet und für die Überführung an die passende Verwertungsstelle vorbereitet. So sind die Wege optimiert und die Aufbereitungskosten reduziert. Recyclingprozesse sind weiter verbessert. Eigenschaften werden kaum noch negativ beeinflusst. Eine längerfristige Eigenschaftskaskade entfällt dank Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz mit sogenannten Deep-Learning-Algorithmen. Immer ist bereits ein nächster Einsatzzweck parat – für eine Welt in der die Ressourcen gezielt eingesetzt und stets im Kreislauf gehalten werden.
Fotohinweis: Die Forschung von Prof. Dr.-Ing. Iman Taha wird von einer Vision angetrieben: Kreisläufe nachhaltiger Kunststoffe. © Hochschule Aalen | Cordula Schneider