Der Preisträger strahlt übers ganze Gesicht. Die strapaziösen Wochen vor Abgabe der Masterarbeit sind längst Vergangenheit. „Ich habe meiner Familie und meinen Freunden schon ein paar Nerven gekostet“, gesteht Lorenz Walter und lächelt spitzbübisch. Doch der Einsatz, die strapazierten Nerven und auch die ein oder andere Nachtschicht haben sich gelohnt: Für seine herausragende Masterarbeit „Herstellung und Charakterisierung von Flachs-Polyester Biocomposites“ ist der Leichtbau-Absolvent der Hochschule Aalen mit dem Karl-Kessler-Preis ausgezeichnet worden.

Daniel Düsentrieb

Für exzellente Abschlussarbeiten an der Hochschule Aalen vergibt die Maschinenfabrik Alfing Kessler (MAFA) jedes Jahr den Karl-Kessler-Preis, der an den Firmengründer des Alfing-Kessler-Werks erinnert. „Unser Gründer war ein großer Erfinder, ein wahrer Daniel Düsentrieb. Und mit diesem Preis möchten wir in seinem Namen auch nachfolgende Erfindergeister würdigen“, so Konrad Grimm, MAFA-Geschäftsführer und Ehrensenator der Hochschule Aalen, in seiner Begrüßung zur feierlichen Preisverleihung. Die Abschussarbeit von Lorenz Walter zeige auch das auf, was Karl Kessler ausgezeichnet habe: Neugier, die Leidenschaft sich mit neuen Themengebieten auseinanderzusetzen und Hartnäckigkeit. Grimm lobte den Preisträger für seine sehr komplexe und dennoch verständliche Arbeit, die einen hohen Anwendungsbezug für die Praxis habe.

Auf den Spuren der Flachsfaser

Wie kann technologischer Fortschritt mit dem Schutz der Umwelt in Einklang gebracht werden? Und wie können Materialien geschaffen werden, die sowohl ökonomisch als auch ökologisch nachhaltig sind? Genau damit hat sich Lorenz Walter in seiner Masterarbeit beschäftigt und ist sozusagen den Spuren der Flachsfaser gefolgt. Denn nachdem das aus der Flachsfaser hergestellte Leinen im 19. Jahrhundert durch die Baumwolle mehr oder weniger verdrängt wurde, gewinnt der Flachs heute als nachhaltige Naturfaser wieder verstärkt an Bedeutung. Durch seine Arbeit konnte der 26-Jährige einen neuen Weg in der Herstellung von Biokompositen weisen und zeigen, dass Nachhaltigkeit und hohe technische Leistungsfähigkeit keine Gegensätze sein müssen. Biokomposite sind Materialien, die aus biobasierten Fasern oder Füllstoffen und aus synthetischen oder biobasierten Kunststoffen bestehen. Sie sind darauf ausgerichtet, die Vorteile von biologischen und synthetischen Materialien zu kombinieren, um so umweltfreundlichere Alternativen zu herkömmlichen Verbundmaterialien wie beispielsweise Glasfaser zu schaffen.

Große Anbauflächen, kurze Lieferwege

„Die Einsatzgebiete sind vielfältig, gerade im Automobilbereich – sei es bei der Innenraumverkleidung, einem Caravan-Dach oder Kotflügel. Flachs eignet sich für diese Anwendungen aufgrund seiner – im Vergleich zu anderen Naturfasern – guten mechanischen Eigenschaften. Außerdem gibt es in Europa große Anbauflächen, was somit kurze Lieferwege bedeutet“, erläutert Walter. Das Thema zu bearbeiten und damit einen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu leisten, habe ihm viel Spaß gemacht. Umso mehr freue ihn auch die Auszeichnung: „Ich fühle mich sehr geehrt, den Karl-Kessler-Preis zu bekommen.“ Was er mit seinem Preisgeld in der Höhe von 4000 Euro anfangen möchte, ist er sich noch nicht schlüssig. „Als Schwabe lege ich das erstmal auf die hohe Kante“, schmunzelt er.

Ein alter Steyr-Puch Haflinger als Vater-Sohn-Projekt

Nach seinem Abitur studierte der gebürtige Schwäbisch Gmünder den Bachelor Maschinenbau / Entwicklung: Design und Simulation an der Hochschule Aalen und absolvierte anschließend den Leichtbau-Master. Dass es für ihn später mal in die ingenieurwissenschaftliche Richtung gehen solle, war ihm schon zu Schulzeiten klar. Als er 13 Jahre alt war, schaffte sich die Familie einen Oldtimer an, und zwar einen Steyr-Puch Haflinger. „Das ist ein kleiner, leichter Geländewagen, mit dem wir auf unsere an einem sehr steilen Hang liegende Streuobstwiese kommen“, erklärt Walter und fügt lachend hinzu: „Bei so einem Oldtimer gibt es natürlich ständig was zu reparieren und zu werkeln. Das ist ein richtiges Vater-Sohn-Projekt.“ Immer etwas Neues zu lernen, genau hinzuschauen, zu forschen und die Ergebnisse in die Praxis zu transferieren, das treibt den jungen Mann an.

Wissenschaftliches Neuland

Auch Prof. Dr. Iman Taha, Betreuerin der Masterarbeit, war in ihrer Laudatio bei der Feierstunde im Alfing-Kessler-Werk voll des Lobes: „Mit seiner Arbeit über Flachs-Polyester Biocomposites hat Herr Walter nicht nur wissenschaftliches Neuland betreten, sondern auch einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Leichtbauwerkstoffen geleistet.“ Anschließend bedankte sich Taha im Namen der Hochschule bei Alfing Kessler für das große Engagement für Bildung, Forschung und Innovation, das eine Brücke zwischen akademischer Exzellenz und industrieller Praxis schlage. „Dieser Preis ist eine große Motivation für unsere Studierenden.“

Fotohinweis: Im Faserlabor der Hochschule Aalen forscht Lorenz Walter an Biokompositen, die aus biobasierten Fasern und aus synthetischen oder biobasierten Kunststoffen bestehen. Foto: © Hochschule Aalen | Saskia Stüven-Kazi