Die Digitalisierung verändert grundlegend, wie wir Materialien analysieren, verstehen und weiterentwickeln. Von der Qualitätssicherung smarter Bauteile bis hin zur Defektanalyse mithilfe künstlicher Intelligenz: Die digitale Transformation eröffnet der Materialmikroskopie enorme Potenziale – und damit auch der gesamten Materialforschung. Welche Chancen sich daraus für Industrie und Wissenschaft ergeben, war Thema beim 5. Aalener Materialmikroskopietag, zu­ dem rund 150 Fachleute aus Forschung und Industrie an die Hochschule Aalen kamen. Veranstaltet wurde die Tagung vom Institut für Materialforschung (IMFAA).

Die Materialmikroskopie entwickelt sich zunehmend zu einem digitalen Hochleistungswerkzeug für industrielle Anwendungen. Sie ermöglicht tiefere Einblicke in Werkstoffe, deckt mikroskopisch kleine Schwachstellen auf und liefert wichtige Erkenntnisse für nachhaltige Technologien – wie etwa in der E-Mobilität, bei der grünen Stahlproduktion oder in der Batterieentwicklung.

Mit KI die Materialqualität vorantreiben

„Wir arbeiten mit Bildern vom Gefüge, also der Mikrostruktur, der Materialien – das ist unsere Fachkompetenz. Mit maschinellem Lernen können wir diese Bilder viel besser analysieren und die Gefüge interpretieren. Dadurch bringen wir die Materialmikroskopie in eine ganz neue Dimension“, betonte Prof. Dr. Gerhard Schneider vom IMFAA zur Eröffnung. Die Verbindung aus hochauflösender Mikroskopie und intelligenten Algorithmen ermögliche es auch, Materialeigenschaften gezielt weiterzuentwickeln. Dr. Timo Bernthaler vom IMFAA unterstrich die enge Verzahnung von Wissenschaft und Anwendung: „Der Materialmikroskopietag ist für uns die ideale Plattform um zu zeigen, wie KI-gestützte Mikroskopie die Brücke zwischen akademischer Forschung und den konkreten Anforderungen der Industrie schlägt.“

Von der Theorie in die Anwendung

Die Fachvorträge spannten einen weiten Bogen von der Stahlforschung bis hin zur Batterietechnologie. Dr. Oleksandr Glushko von der Montanuniversität Leoben zeigte auf, wie Spurenelemente aus dem Recycling die Stahlqualität beeinflussen. Dr. Matthias Korn von MAN Truck & Bus SE stellte vor, wie maschinelles Lernen beim Verständnis von Alterungsprozessen in Nutzfahrzeug-Batterien unterstützt. Ergänzend dazu erläuterte Christiana Malchus vom IMFAA, wie mikroskopische Untersuchungen dabei helfen, diese Alterungsvorgänge im Detail zu verstehen. In der Halbleiterindustrie demonstrierte Dr. Christian Hollerith von Infineon Technologies moderne Verfahren zur Fehlerdetektion, die entscheidend zur Qualitätssicherung beitragen. Patrick Krawczyk vom IMFAA erläuterte, wie maschinelles Lernen mikroskopische Bilder schneller und präziser auswertet, während Matias Volman und Amit Choudhary von Matworks GmbH – Materials Engineering Solutions, automatisierte und KI-gestützte mikroskopische Arbeitsabläufe für die Qualitätsbewertung und -prüfung darstellten. Wie Labore in Zukunft effizienter zusammenarbeiten können, zeigte Konstantin Schade von der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH in seinem Vortrag über „connected laboratories“. Neue Anwendungen rund um die magnetische Mikroskopie, vorgestellt von Dominic Hohs vom IMFAA, gaben einen Einblick in die Analyse verschiedener Magnettypen und zeigten, wie Defekte deren magnetische Eigenschaften beeinflussen – ein Ausblick auf das Potenzial zukünftiger Technologien.

Ein besonderes Highlight für die Teilnehmenden war der abschließende Rundgang durch die Labore des Materialforschungsinstituts. Hier bekamen sie hautnahe Einblicke in die aktuelle Forschung der Hochschule – etwa in die Batterie- und Magnetlabore sowie in die Licht- und Rasterelektronenmikroskopie. Moderiert wurde der Materialmikroskopietag von Tim Schubert und Andreas Jansche.

Fotohinweis:

Die Speaker des 5. Aalener Materialmikroskopietags von links: Prof. Gerhard Schneider, Matias Volman, Andreas Jansche, Amit Choudhary, Dominic Hohs, Dr. Matthias Korn, Konstantin Schade, Dr. Oleksandr Glushko, Christiana Malchus, Patrick Krawczyk, Tim Schubert, Dr. Christian Hollerith, Dr. Timo Bernthaler. Foto: © Hochschule Aalen | Julian Schurr