Zum diesjährigen Aalener Gießerei Kolloquium begrüßte Prof. Dr. Lothar Kallien über 160 angereiste Vertreter der Gießereibranche und interessierte Studierende. Nach der Vorstellung des Veranstaltungsprogramms präsentierte er den neuen Computertomographen des Gießereilabors, der über DFG-, Landes- und Hochschulmittel beschafft werden konnte. Darüber hinaus bedankte er sich bei der Richard Ritter Stiftung für einen neuen Elektro-Gabelstapler, der alte hatte mit über 25 Jahren ausgedient. Besonders bedankte Prof. Kallien sich bei der Firma Frech, die dem Gießereilabor eine neue 125 Tonnen Warmkammerdruckgießmaschine gestiftet hat, die im Februar diesen Jahres in Betrieb genommen werden konnte. Die Anlage wird unter anderem für das F&E Vorhaben „Einfluss von Alterungs-, Herstellungs- und Nachbehandlungsprozessen auf die galvanische Beschichtbarkeit von Zinkdruckguss“ eingesetzt. Die alte 80 Tonnen Maschine war für das Versuchsteil hinsichtlich Schließkraft an der Grenze, so dass bei höheren Anschnittgeschwindigkeiten Gratbildung nicht vermieden werden konnte.
Die Vorträge
Die Vortragsreihe begann Jürgen Lamparter von der Firma Frech zum Thema „Neue Antriebskonzepte im Automotive Bereich: Einfluss der Teilestruktur auf den Aluminium Druckguss“. Darin analysierte er die Risiken aber auch Chancen neuer Antriebstechnologien für die Gießereiindustrie. Aufgrund politischer Vorgaben zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes wird die Automobilindustrie neue Antriebstechnologien anbieten müssen, wodurch die benötigte Anzahl an Gussteilen pro Auto sinken wird. Der Absatz von Fahrzeugen hingegen wird Prognosen zufolge bis 2050 um 100 % steigen, sodass in der Gesamtbetrachtung mit einer erhöhten Nachfrage an Gussteilen zu rechnen ist. Darüber hinaus wird die Elektrifizierung zunächst über Hybridmodelle erfolgen, die allesamt einen Verbrennungsmotor haben.
Dr.-Ing. Heinrich Fuchs von der Firma Martinrea-Honsel Germany GmbH referierte über das Thema „Bauteil- und Prozessentwicklung zur hocheffizienten Fertigung von Großseriendruckgussmotorblöcken“. Durch den Wechsel der Fertigung von Motorblöken vom Eisensandguss zum Aluminiumdruckguss konnten die Zykluszeit und die Kosten verringert werden.
Über das Thema „Methodische Produkt- und Prozessentwicklung im Druckguss mit Autonomes Engineering“ sprach Dr.-Ing. Jörg C. Sturm von der Firma MAGMA Gießereitechnologie GmbH. Er zeigte darin, inwiefern Autonomes Engineering als ganzheitliches System die Entwicklung und Fertigung von Gussteilen vereinfachen und optimieren kann. Autonomes Engineering erzeugt „Big Data“, dieser Datenflut kann nur durch neue Auswertekonzepte begegnet werden.
Den anschließenden Vortrag „Gegossene Bauteile für den Leichtbau im Fahrzeug aus Aluminiumwerkstoffen“ teilten sich Dr. Achim Keidies und Bolko von Bartenwerffer von der Firma Franken Guss. Als Anwendungsbeispiel zeigten sie einen ursprünglich im Eisenguss gefertigten Vorderfederbock, der unter Einsparung von 16 Kilogramm Gewicht durch Aluminium im Poralguss-Verfahren ersetzt werden konnte.
Jörg Beck von der Firma AWEBA Werkzeugbau GmbH Aue erläuterte das Thema „Dreiplattentechnologie“. Er beschrieb detailliert die Konstruktion des komplexen Werkzeugs und ging dabei auf die Herausforderungen und die vielen Vorteile ein.
Nach den Vorträgen der Fachreferenten bildete der traditionelle Gießer-Abend mit Abendessen den Ausklang, bei dem alljährlich ein reger Erfahrungsaustausch zwischen den Gießern und den Studierenden stattfindet.
Am nächsten Morgen startete Tobias Rennings die Vortragsreihe mit einem Überblick der „Aktivitäten im Bereich Technik, NE-Metallguss und Digitalisierung“. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Arbeitskreis Gießerei 4.0, der das Thema Industrie 4.0 im Bereich Gießerei behandelt. Als Orientierungshilfe für Gießereien zur Selbsteinschätzung und Planung von Entwicklungsschritten zur digitalen Produktion wurde der BDG Kompass – Gießerei 4.0 erarbeitet.
Im Anschluss ging Georg Zwick von der Firma voestalpine High Performance Metals Deutschland GmbH auf das Thema 3D-Druck von Werkzeugeinsätzen ein. Der 3D-Druck ist laut Zwick nicht als Ersatz zum herkömmlichen Fräsen zu sehen, sondern als erweitertes Werkzeug für die Herstellung hochkomplexer Einsätze. Als Preis für ein Kilogramm gedruckten Einsatz nannte er 1500 Euro, was deutlich macht, dass die Technologie momentan nur für Sonderfälle geeignet ist.
Dr. Andreas Kleine von der Firma TRIMET Automotive GmbH ging in seinem Vortrag auf die Legierungsentwicklung von Aluminium für Strukturbauteile im 3D-Druck und Druckguss ein. Im zweiten Teil beschrieb Kleine die Möglichkeit, Druckgussteile mit angedruckten Strukturen zu versehen. Dieses Verbundforschungsvorhaben erweitert die Anwendungsmöglichkeiten des Druckgießerfahrens.
Verbesserte Bauteileigenschaften durch optimierte Prozess- und Schmelztechnologie für Standard- und Sonderlegierungen stellte René Wagner von der Firma ALUWAG AG aus der Schweiz vor. Durch den Einsatz eines 3-Kammer Schmelz- und Warmhalteofen mit integriertem Impeller kann die Qualität der verwendeten Aluminiumschmelzen deutlich verbessert und die Eigenschaften des Gussteils optimiert werden.
Um das Thema „Innovativer Leichtbau mit Zinkdruckguss“ ging es im Vortrag von Dr.-Ing. Didier Rollez, Grillo-Werke AG. Obwohl Zink mit einer Dichte von 6,7 Gramm pro Kubikzentimeter für den Leichtbau scheinbar ungeeignet ist, können Bauteile aufgrund der guten Fließeigenschaften der Zinkschmelze besonders dünnwandig und damit leicht gegossen werden.
Forschungsergebnisse der Hochschule Aalen
Es folgten die neusten Forschungsergebnisse der Hochschule Aalen im Bereich Gießereitechnik. Es starteten Axel Kansy und Alexander Pfund mit den neusten Erkenntnissen zum Projekt „Einfluss von Herstellungs- und Beschichtungsprozessen bei der Galvanisierung von Zinkdruckguss“. Als Hauptverursacher für die Blasenbildung von galvanisiertem Zinkdruckguss konnte Wasserstoff verantwortlich gemacht werden. Dieser dringt im Vorbehandlungs- und Beschichtungsprozess in das Bauteil ein, diffundiert atomar in das Innere des Bauteils und rekombiniert unter Volumenzunahme zu molekularem Wasserstoff.
Marcel Becker gab einen Überblick über die aktuelle Forschung zum Thema Salzkerne im Druckguss. Darin zeigte er, inwiefern sich die Zusammensetzung des Salzgemischs, die Werkzeugtemperatur und die Kerngeometrie auf die Rissneigung und Schwindung des Kerns auswirken.
Der Vortrag von Daniel Schwarz behandelte Multimaterialverbunde für den hybriden Leichtbau. Ein CFK-Laminat wird im Druckgießverfahren von Aluminium oder Magnesium umgossen, sodass eine kraftschlüssige Verbindung zwischen CFK und Metall entsteht Mit diesem Verfahren sollen herkömmliche Fügeverfahren ersetzt werden, um Gewicht und Prozessschritte zu sparen. Das Projekt ist Teil des Aalener Kooperationsnetzwerks SmartPro, in dem mit über 50 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zu Themen rund um Elektromobilität und Leichtbau geforscht wird.
Beendet wurde die Vortragsreihe von Thomas Weidler mit der Vorstellung des „Projekts MagWeb – gewebeverstärkter Magnesiumdruckguss“. Ziel des neuen Vorhabens ist es, Magnesiumbauteile durch den Einsatz von unterschiedlichen, beschichteten Glasfasergeweben zu verstärken.
Fotohinweis: Die Referenten des Gießereikolloquiums 2019 (v.l.n.r.): Bolko von Bardenwerffer, Dr. Achim Keidies, Dr. Heinrich Fuchs, Axel Kansy, Prof. Lothar Kallien, Daniel Schwarz, Marcel Becker, Georg Zwick, Jörg Beck, Thomas Weidler, Tobias Rennings, Alexander Pfund | © Hochschule Aalen