Rund 160 Teilnehmende folgten der Einladung des Instituts für Materialforschung (IMFAA) und besuchten den 3. Aalener Materialmikroskopietag in der Aula der Hochschule Aalen. Die Vorträge rund um das Motto „Machine Learning und Künstliche Intelligenz für die Materialmikroskopie“ boten neue Einsichten, Praxisberichte und viel Stoff und Anregungen für Ideen und Diskussionen.
„Machine Learning kann, soll und wird den Menschen in der Materialmikroskopie nicht ersetzen.“ Diesem einstimmigen Fazit des 3. Aalener Materialmikroskopietags gingen umfassende Vorträge und Beispiele aus der Praxis voraus. Rektor und Mitglied der IMFAA-Institutsleitung, Professor Dr. Gerhard Schneider begrüßte die teilweise sogar aus den Niederlanden und Korea angereisten Teilnehmenden. In seinen einleitenden Worten wies er auf die zukünftige und herausragende Bedeutung von Machine Learning (ML) und künstlicher Intelligenz (KI) in der Forschung, Entwicklung und Qualitätsbewertung von Materialien hin.
Namhafte Referenten aus Industrie und Wissenschaft
Die Vorträge begannen mit Professor Dr. Michael Totzeck. Machine Learning werde die hochkomplexen ZEISS-Produkte und somit auch die Kunden zukünftig signifikant unterstützen, stellte der Referent der Carl Zeiss AG fest. Seine praxisnahen Anwendungsbeispiele führten die Teilnehmenden direkt in das Thema ein. Sein Fazit: Das Sammeln von Daten und der konsequente Einsatz des maschinellen Lernens haben gerade erst begonnen. Im Anschluss präsentierten Joshua Roth und Konstantin Jatzek von Mapal die Bewertung von Werkzeugschneiden und gingen auf Lösungsansätze beim Einsatz von KI bei Mapal ein. Dass KI-Systeme bereits heute in anspruchsvollen Spezialaufgaben deutlich bessere und zuverlässigere Ergebnisse als menschliche Experten liefern, konnte Professor Dr. Ricardo Büttner von der Hochschule Aalen anhand von Beispielen der Objekterkennung und sogar medizinischen Diagnosen zeigen. Die Zukunft und Potenziale von KI-Systemen sind noch nicht absehbar, aber, so Büttner, schon jetzt eine der interessantesten technologischen Entwicklungen. Was bereits heute mittels künstlicher Intelligenz an konkreten Problemlösungen in der Mikroskopie erbracht werden kann, zeigte Dr. Timo Bernthaler vom IMFAA. Beispielsweise können sicherheitskritische Risse in Bauteilen entdeckt, komplexe Kornstrukturen in Metalllegierungen gemessen oder Eigenschaften wie etwa die Härte aus der Gefügestruktur bei Stählen vorhergesagt werden. „Es ist faszinierend, wie Machine Learning die Mikroskopie revolutioniert. Die Reise ist noch lange nicht zu Ende“, meinte Bernthaler.
Große Datenmengen, Google-Algorithmen und spannende „Use Cases“
Der Nachmittag wurde von Doktoranden des IMFAA und der Machine Learning Group gestaltet. In ihren Beiträgen gingen die Nachwuchswissenschaftler tiefer auf Anwendungsfälle von Machine Learning in der Mikroskopie und der zerstörungsfreien Röntgenprüfung ein und zeigten dabei, dass Machine Learning den Menschen oft einen Schritt voraus ist. Den Anfang machte Andreas Jansche, der sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung in der Mikroskopie beschäftigte. Er zeigte unter anderem, wie große hochaufgelöste mikroskopische Bilder einer Lithium-Ionen Zelle für ein Automobil effizient ausgewertet und die Daten mittels Machine Learning verwaltet werden können. Die Vorteile von Machine Learning in puncto Robustheit und Reproduzierbarkeit sowie die Möglichkeiten zur Analyse komplexer Werkstoffe, waren Thema des Vortrags von Amit Kumar Choudhary. Er zeigte Lösungen zur quantitativen Analyse der für die magnetischen Eigenschaften wichtigen Korn- und Domänenstruktur in Sintermagneten für elektrische Maschinen. Auch gelang es ihm, bei der Messung von Verunreinigungen in Stählen die eigenschaftsrelevanten Einschlüsse deutlich besser zu erfassen. Daniel Sauter präsentierte, wie mittels tiefer neuronaler Netze – dem sogenannten Deep Learning – sicherheitsrelevante Fehler in Röntgenbildern von Turbinenschaufeln in Flugzeugtriebwerken vom Rechner erfasst und zugeordnet werden können – und dass dieser den Menschen im „Entdecken“ der Fehler überholt. Den Abschluss bildete Olatomiwa „Tommy“ Badmos. Er stellte in seinem Vortrag zur Detektion von Auffälligkeiten in Materialgefügen dar, wie Algorithmen, die Google zur Objekt- oder Gesichtserkennung verwendet, in der Mikroskopie funktionieren. So zeigte er, wie in einem Mikroskopbild einer Lithium-Ionen-Batterie Deep Learning „quasi live“ und eigenständig kritische Fremdeinschlüsse oder Risse entdeckt und zuordnet.
Ein spannendes Rahmenprogramm
Begleitet wurde der Materialmikroskopietag von einer umfangreichen Posterausstellung zu Forschungsarbeiten des IMFAA und dem Kooperationsnetzwerk Smart-Pro. Die Teilnehmenden hatten so die Möglichkeit, mit Fachkollegen und Referenten zu diskutieren. Die Veranstaltung endete mit einer Führung durch die vielfältigen Labore an der Hochschule Aalen. Das Team rund um Professor Schneider und Dr. Bernthaler wurde durch das große Interesse und die zahlreichen Diskussionen bestätigt und darin bestärkt, ihre Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der maschinellen Lernverfahren in der Materialmikroskopie voranzutreiben. „Ein großer Schub für die angewandte Materialmikroskopie!“, freute sich das Team.
Fotohinweis: © Hochschule Aalen / Julian Schurr und Jan Niedermeier