Seltene Erden sind ein wichtiger Bestandteil von E-Autos und Windrädern. Das macht sie zu einem Baustein auf dem Weg in eine klimafreundlichere Zukunft. Bislang ist China unangefochtener Weltmarktführer. In Schweden wurde nun ein Vorkommen von einer Million Tonnen entdeckt. SmartPro-Sprecherin und Projektleiterin des Impulsprojektes Smart-MAG zu Energiewandlern, Prof. Dr. Dagmar Goll vom Institut für Materialforschung der Hochschule Aalen (IMFAA), ordnet den Fund ein – und erklärt, wozu man das Material überhaupt benötigt.

Welche Bedeutung hat der Fund von 1 Millionen Tonnen Seltener Erden in Schweden?

Man muss den Fund in Relation setzen: Laut U.S. Geological Survey betragen die Weltressourcen für sogenannte „Rare Earth Oxides“ (REO), also Seltene Erden, aktuell 120 Millionen Tonnen, davon 44 Millionen Tonnen in China, 22 Millionen Tonnen in Vietnam, 21 Millionen Tonnen je in Brasilien und in Russland. Die Weltjahresproduktion betrug nach dieser Quelle 280 000 Tonnen. Daran gemessen sind 1 Million Tonnen nicht sehr viel. Das Vorkommen bietet Europa aber für einige Jahre größere technologische Unabhängigkeit. Zu klären wäre, in welchen Mengenanteilen die verschiedenen Elemente im schwedischen Erz vorkommen. Ein Beispiel: Laut dem CRE Rare Earth Report 2020 wird der jährliche Neodym-Magnetverbrauch im Jahr 2030 weltweit 229 000 Tonnen betragen. Bei der Eisen-Neodym-Bor-Legierung (FeNdB) handelt es sich um einen Werkstoff, aus dem die derzeit stärksten Dauermagnete hergestellt werden. Insbesondere im Hinblick auf die Energiewende, den Ausbau von Windkraft und Elektromobilität, ist dies von grundlegender Bedeutung. Mit einer Million Tonnen REO könnte ungefähr 10 Jahre lang der RE-Magnetverbrauch ausgeglichen werden.

Inwieweit kann diese Menge die Produktion von sogenannter grüner Technologie beeinflussen?

Auch hier möchte ich wieder auf das Beispiel der FeNdB-Dauermagnete zurückkommen, die ein wesentliches Material für Elektromotoren in Elektrofahrzeugen oder in Generatoren für Windenergieanlagen sind. Etwa zwei Kilogramm FeNdB-Magnet werden für einen Elektromotor in Fahrzeugen verbaut. Bei Windenergieanlagen ist die Kennzahl für die spezifische Leistungsfähigkeit von Windkraftanlagen die so genannte Magnetnutzung. Bei neueren Windenergieanlagen mit einer Leistung von 5 Megawatt (MW) liegt dieser Wert bei rund 500 Kilogramm pro MW-Leistung.

Warum wäre eine Förderung erst in rund zehn Jahren möglich?

Eine umfangreiche geologische Begutachtung ist erforderlich, dann müssen Genehmigungsprozesse durchlaufen werden, weil die Förderung ja signifikant in die Umwelt eingreift. Und dann müssen Infrastrukturen und die Bergbau-Industrie aufgebaut werden. Unserer Meinung nach ist es aufgrund des wachsenden Bedarfs insbesondere auch in 10 Jahren wichtig, eine europäische Perspektive zu haben.

Mit Blick auf Nachhaltigkeit, Klimakrise und damit die Endlichkeit von Ressourcen: wäre da nicht ein guter Ansatz auf Technologie zu setzen, wo man mehr wiederverwertet? Stichwort: Kreislaufwirtschaft.

Kreislaufwirtschaft von seltenen Erd-Elementen ist sehr wichtig, auch weil der CO2-Footprint und der Energiebedarf beim Recycling sehr viel niedriger als bei REO (Rare Earth Oxiden) als Ausgangsstoffen ist. Durch die drastische Zunahme des Bedarfs in den nächsten Jahren müssen aber zusätzliche Quellen erschlossen sowie Materialien subsituiert und alternative Werkstoffe sowie darauf basierende Technologien gefunden werden.

Funktioniert moderne Technologie nicht mehr ohne Seltene Erden? Welche Alternativen gibt es?

Für viele Anwendungen gibt es bereits Substitute, die jedoch im Allgemeinen weniger wirksam, effizient oder sinnvoll sind. Nach weiteren Alternativen wird intensiv gesucht und geforscht. Hier orientieren sich Forscherinnen und Forscher zunehmend an der Natur, die in der Regel mit wenigen Grundstoffen Materialien mit einer großen Vielfalt an Eigenschaften erzeugt. Erneut ein Beispiel zu Magneten: Es werden in der Industrie Alternativen ohne seltene Erdmetalle gesucht. Ansatzpunkte sind etwa Asynchronmaschinen oder Reluktanzmaschinen.

Das Vorkommen wird Europa also nicht unabhängig machen. Wie löst man diese Rohstoffproblematik?

Die Erschließung und Nutzung von Ressourcen in Europa, verbunden mit einer konsequenten Kreislaufwirtschaft sind eine gute Antwort auf die Rohstoffproblematik. Die Entwicklung von Hochleistungswerkstoffen ohne seltene Erden und einer konsequenten Kreislaufführung bleiben eine wichtige Forschungsaufgabe.

Übrigens: In der SmartPro-Forschung zu Energiewandlern versucht das Team um Prof. Goll, die Anteile von Seltenerdmetallen in Magnetwerkstoffen zu reduzieren – bei gleichbleibender oder sogar verbesserter Qualität und Effizienz. So können natürliche Ressourcen geschont und Lösungsideen für den Klimaschutz geliefert werden.

 Fotohinweis: In Schweden wurde ein großes Vorkommen Seltener Erden gefunden, die für viele Technologien unentbehrlich sind. Prof. Dr. Dagmar Goll von der Hochschule Aalen ordnet den Fund ein | © Hochschule Aalen